Anfang September 2014 kommentierte die amerikanische Großbank Goldman Sachs die aktuelle Situation zum Euro. Dieser werde, so der oberste Währungsstratege der Bank, in den kommenden Jahren „weicher“ oder – mit anderen Worten – der Dollar wird stärker. Wall Street kolportierte gar eine Parität zwischen Euro und Dollar.
Von einem grundsätzlichen „Geburtsfehler“ des Euro spricht man schon, seit es den Euro gibt. Starke Bedenken waren auch schon davor zu hören. Aber die politisch gewollte Einheitswährung wurde trotzdem eingeführt. Über die Auswirkungen machten sich die damals verantwortlichen Politiker nur am Rande Gedanken – wenn überhaupt und dann natürlich nur im Verborgenen.
Aber: Europa ist nun mal nicht die Vereinigten Staaten von Amerika, also ein Staatenbund mit gleicher Sprache, Kultur, Steuer-, Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. In den USA macht eine Einheitswährung natürlich Sinn. Ein Texaner unterliegt den gleichen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen wie ein New Yorker oder ein Kalifornier. Genau da bricht aber der Vergleich mit Europa. Ein Deutscher unterliegt anderen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen als ein Norwege, Franzose oder Italiener.
Ein gesellschaftlich freies Europa regelt die (zivil)gesellschaftlichen Bedingungen nur behutsam, wenn überhaupt. Ein friedliches Europa ist für mich ein Europa der Regionen, das den einzelnen Völkern Raum zur freien Entfaltung lässt und ihre Entwicklung möglichst wenig behindert. Das Subsidiaritätsprinzip, im Europavertrag geregelt und im Oktober 1992 vom Europarat erneut bestätigt, ist der richtige gesellschaftliche Ansatz dafür. Zumal im „Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit“ die vom Europäischen Rat von Edinburgh festgelegten Leitlinien kodifiziert werden und damit Rechtscharakter erhalten.
Ein politisch friedliches Europa rauft sich über das Europa-Parlament verbal zusammen und ist intelligent genug, kriegerische Konflikte innerhalb Europas zu vermeiden. Insofern hat man aus der Vergangenheit gelernt. Die Verwaltung Europas wird von der EU-Kommission als supranationalem Organ der Europäischen Union so einigermaßen zufriedenstellend besorgt, sieht man einmal von „Verirrungen“ wie der Gurkenkrümmung, dem Verbot der Glühlampen usw. ab. Weniger ist da oft mehr. Aber als Exekutive ist sie die „Hüterin der Verträge“, überwacht das Wohlverhalten der EU-Mitgliedsstaaten und kann, falls erforderlich, auch Klage gegen einen EU-Staat erheben.
Ein wirtschaftlich erfolgreiches Europa ist da schon schwieriger umzusetzen. Und das hat sehr stark mit dem Euro als Einheitswährung zu tun.
Zu einem freien Staat gehört neben freien Bürgern in einem definierten Staatsgebiet, gemeinsamer Sprache, gemeinsamen moralischen Werten und gemeinsamer Kultur auch eine einheitliche Gesetzgebung mit einer eigenen Sozial-, Wirtschafts- und Steuerpolitik samt eigener Währung. Die freien Staaten Europas haben sich zwar zusammengeschlossen, sind aber dennoch eigenständige Staaten geblieben, in denen eigenständige Bedingungen herrschen, unter denen ihre Bürger leben und wirtschaften. Nun findet wirtschaftliches Handeln nicht im luftleeren Raum statt sondern hat immer auch Auswirkungen auf den jeweiligen Handelspartner, der in der Regel auch in einem anderen Staat mit anderen Bedingungen sein kann.
Um ein Bild zu bemühen: ich stelle mir Handel treibende Staaten gern als Elemente einer Brücke vor, die gemeinsam eine tragfähige Konstruktion ergeben. Um Spannungsrisse zu vermeiden, werden Dehnungsfugen eingebaut, damit sich die einzelnen Elemente zerstörungsfrei bewegen können. Im „alten“ Europa haben die unterschiedlichen Währungen die Funktion einer Dehnungsfuge erfüllt. Mit der Einheitswährung Euro bekommt die Brücke nun ein festes Korsett, das Bewegungen einzelner Elemente unabhängig voneinander verhindert. Dann genügt unvorhergesehener Verkehr – oder auch ein Erdbeben, was der Gottseibeiuns verhindern möge – und die Brücke stürzt ein und begräbt ein bislang prosperierendes Gemeinwesen unter sich.
Die Geburtsfehler des Euro machen sich seit einigen Jahren fatal bemerkbar: Änderungen des einheitlichen Leitzinses wirken sich nicht auf alle europäischen Staaten gleich aus, weil sie eben unterschiedlich sind. Die Währung ist mal zu stark für die einen, mal zu schwach für die anderen – mit den jeweiligen dadurch bedingten Auswirkungen – egal ob positiv oder negativ – auf Wirtschaftswachstum, Arbeitslosigkeit, Staatsschulden und so weiter und so fort. Die einheitlichen geldpolitischen Maßnahmen wirken also nicht einheitlich sondern unterschiedlich und erzeugen so Gewinner und Verlierer innerhalb eines gemeinsamen Europa. Die Möglichkeit, durch Auf- oder Abwertung der eigenen Währung für einen Ausgleich innerhalb der Gemeinschaft zu sorgen, ist nicht mehr gegeben. Der Euro ist die gemeinsame Währung für alle unterschiedlichen Länder, die sich in der Eurozone zusammengefunden haben.
Und jetzt wird es brutal, denn jetzt schleicht sich ein anderes Bild in meine Gedanken und verdrängt die Brücke als verbindendes Element…
Fortsetzung folgt 😉