Es ist erstaunlich, mit welchen Vorstellungen manche Menschen an der Börse agieren. Ich bin in vielen Foren und Gruppen unterwegs und staune immer wieder Bauklötze darüber, was diese Menschen so umtreibt.
Da schreibt ein Marco: „Dachte hier gibt irgendwelche Tipps von profis, die vielleicht sagen das irgendwas steigt oder man auf Short drücken sollte.“
Natürlich antwortet ihm kein Mensch, weil jeder sofort weiss, dass hier einer fragt, der absolut keine Ahnung hat, was er da schreibt.
Daraufhin schiebt Marco das nach: „Gibt es irgendwelche Leute die mir beim traden bisschen helfen? Bin neu und mit einer Demo erstmal unterwegs. Vielleicht weiß ja einer gute Tipps was ich shorten oder kaufen muss.“
Wie bitte: „Shorten oder kaufen“? Was für ein Unsinn. Wer so an die Sache herangeht, sollte lieber Lotto spielen oder sein Geld gleich zum Fenster rauswerfen.
Ich hab erstmal den Kopf geschüttelt und ihm dann doch Tipps gegeben: „hier ist ein guter Tipp: auf kostenlose ‚gute Tipps‘ von anderen würde ich keinen Cent setzen, ohne das selbst zu prüfen … aber dazu muss man eine gewisse Finanzkompetenz haben … also noch ein guter Tipp: lernen, lernen, lernen.“
Immerhin hat er sich bedankt. Und hoffentlich hat er begriffen, dass er ohne Plan keinen Erfolg haben wird. Das ertragreichste Kapital ist immer noch das zwischen den Ohren.
Oder: eine Carina schreibt „ARIAD Pharmaceuticals läuft wieder richtig gut.“
Da ich von dieser Firma – und ich kenne inzwischen tatsächlich Tausende – noch nie etwas gehört hatte, recherchierte ich mal. Ach du meine Güte! Das Papier kostet aktuell 6,54 Euro, hat einen hohen Spread (Differenz zwischen Ein- und Verkauf), unterliegt starken Schwankungen und es gibt so gut wie keine Informationen über dieses Unternehmen – von einer „coolen“ Website mal abgesehen. Na toll. Und in so eine Firma soll man investieren?
Ich konnte mir eine Antwort nicht verkneifen: „wie kommt man auf die Idee, sauer verdientes Geld in so eine Aktie zu investieren?“ – keine Reaktion.
Warum greifen gerade Anfänger nach vermeintlich billigen Aktien? Nur weil sie weniger als 10 Euro oder im Extremfall weniger als einen Euro kosten? Der Kurs – also der Preis der Aktie – ist kein Kriterium für teuer oder billig.
Noch schlimmer sind Pennystocks, für die auch noch aktiv Werbung gemacht wird.
Da schreibt ein Merlin K. (das Profilfoto zeigt ein Kind mit Smartphone): „Eine sehr interessante Aktie ist die Global Remote Technologies welche eine Marktkapitalisierung von 20,7 Mio. € hat und in den letzten Wochen stark gestiegen ist. Dabei scheint die Aktie noch unterbewertet zu sein. Zudem werden wahrscheinlich demnächst wieder neue Partnerschaften bekannt gegeben.“
Ganz schön professionell geschrieben für einen 11- oder 12-jährigen. Ich war neugierig und hab mir die Aktie angesehen. Ach du meine Güte! Kostet gerade mal 0,47 Euro bei Volumina von nicht mal 5.000 Stück pro Tag. Billig? Wohl kaum. Ein aussagefähiges Firmenprofil ist nicht zu finden, ebenso fehlen das Management und die Aktionärsstruktur. Auch News und Firmenmeldungen sind kaum zu finden. Auswertbare fundamentale Daten? Fehlanzeige. Da schreibt ein Kerl mit Fake-Profil marktschreierische Werbung für einen Pennystock, der damit hochgetrieben werden soll, damit die Initiatoren am Schluß Kasse machen und die gutgläubigen Anleger ihr Geld verlieren. Es gibt 70.000 Aktien weltweit, da muss ich nicht ausgerechnet dieses Klopapier kaufen.
Ein gutes Kriterium für teuer oder billig ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Dabei wird der aktuelle Kurs durch den Gewinn dividiert. Das Ergebnis ist die Anzahl der Jahre, die diese Aktie diesen Gewinn abwerfen muss, damit der Kaufpreis wieder hereingekommen ist.
Leider sind viele Finanzchefs von Unternehmen ganz gut darin, ihre Gewinne – und das mitunter sogar völlig legal – zu manipulieren. Die Bilanzierungsvorschriften sind erstens weltweit sehr unterschiedlich und zweitens gibt es jede Menge Lücken oder dehnbare Vorschriften. Ein wesentlich besseres Kriterium ist der sogenannte Cashflow. Der Geldstrom – also das ein- und ausgehende Geld – kann nicht so leicht manipuliert werden, weil die Bilanzprüfer jede Kontobewegung nachvollziehen können.
Man könnte also überspitzt sagen, der Cashflow ist das bessere KGV.
In den sogenannten Mature Markets (entwickelten Ländern) ist die Gefahr einer Manipulation wesentlich geringer als bei Unternehmen aus den Emerging Markets oder gar den Frontier Markets. Natürlich gibt es keine Regel ohne Ausnahme, aber die Ausnahmen kann man an beiden Händen abzählen. Deshalb ist für mich eine Investition beispielsweise im skandinavischen Markt wesentlich interessanter, weil ich da ruhigen Gewissens mein Geld anlegen kann – sofern man das bei Börsengeschäften überhaupt sagen kann. Da gibt es jede Menge Informationen über die Firmen, da herrscht Transparenz und viele Analysten auch von Staatsfonds haben diese Papiere ständig auf dem Radar. Und Recht und Gesetz ganz allgemein schätze ich hier auch höher ein als beispielsweise in China, Ägypten, Simbabwe oder Kenia. Man muss sein sauer verdientes Geld nicht nach Afrika tragen.
Warum zum Teufel empfiehlt dann jemand Pennystocks, die kein Mensch kennt? Da fällt mir nur eine Antwort ein: entweder er ist dumm oder er will nur dein Bestes – dein Geld. In einem erfolgversprechenden „Anlage-Universum“ haben Pennystocks nichts zu suchen. Finger weg von Pennystocks!